WEITKUNAT, HAISCH, KESSLER (Eds.) Public Health und Gesundheitspsychologie. Bern, CH: Huber, 225-234
Division of Epidemiology, School of Public Health, Columbia University and HIV Center for Clinical and Behavioural Studies, Psychiatric Institute, New York
Mitte der achtziger Jahre war die Sorge berechtigt, daß sich das neuentdeckte HI-Virus auch in Zentraleuropa soweit ausbreiten könnte, daß mit Auswirkungen auf das System der Krankenversorgung zu rechnen sei. Bereits 1988 war jedoch abzusehen, daß die Zahl der Neuerkrankungen in Deutschland stagnieren würde (WITTKOWSKI, 1988) und auf der Grundlage der Zahlen von 1989 konnte das Niveau mit maximal ca. 2500 Neuerkrankungen pro Jahr abgeschätzt werden (WITTKOWSKI, 1990).
Heute wissen wir, daß die Zahl der Neuerkrankungen in Deutschland (Kinder und nicht-europäische Ausländer ausgenommen) zunächst nicht über 2000 pro Jahr ansteigen wird (WITTKOWSKI, 1995). Vorhersagen einer „explosionsartige" Ausbreitung (KOCH, 1994) von Medien, Parteien und Sekten (z.B. Der Spiegel AIDS-Forschung , VPM, vgl. Literaturliste) sind bewußte Irreführung oder (bestenfalls) Auswirkungen von ‚Phobien'. Die Versorgung AIDS-Kranker muß vor dem Hintergrund stagnierender bzw. mittelfristig zurückgehender Fallzahlen diskutiert werden. Nach Angaben des Verbandes der privaten Krankenversicherung e.V. liegen die Aufwendungen (Krankheitskosten, Kranken- und Krankenhaustagegelt) pro AIDS-Fall in den letzten drei Jahren vor dem Tod bei insgesamt ca. DM 200.000,--. D.h. die Betreuung aller AIDS-Patienten kostet ca. DM 120 Millionen pro Jahr.
Trotzdem stellt sich die Frage, wie Resourcen in Zukunft auf die Betroffenengruppen verteilt werden müssen. Wegen der variablen Zeit zwischen HIV-Infektion und AIDS-Erkrankung kann sich das Verhältnis der Betroffenengruppen zueinander nur langsam ändern. Homo- und bisexuellen Männer sowie injizierenden Dorgenbenutzer werden weiterhin den größten Anteil der Neuerkrankungen ausmachen. Unter den Empfängern von Blut und Blutprodukten wird die Anzahl von derzeit ca. 50 pro Jahr weiter zurückgehen. Da die Zahl der Neuinfektionen, die in den Hauptbetroffenengruppen nach 1985 stark zurückgegangen ist, bei deren heterosexuellen Partnern seit 1988 ebenfalls rückläufig ist, wird der Anteil „Heterosexueller" an den Neuerkrankungen nicht über ca. 10 Prozent ansteigen (vgl. dagegen STEINKE, BARBEN und DELMORE, 1994). Unter Heterosexuellen ohne direkte Kontakte zu den Hauptbetroffenengruppen wurden bisher nur vereinzelte Fälle von Erkrankungen beobachtet und es wird auch im schlimmsten denkbaren Fall auf absehbare Zeit keinen beobachtbaren Anstieg geben.
Obwohl die Ausbreitung von HIV unter Heterosexuellen zunächst keine Auswirkungen auf die Versorgung haben wird, sind Bemühungen um die Verbesserung der Prävention keinesfalls überflüssig. Da eine langsame Ausbreitung unter Heterosexuellen zur Zeit noch nicht ausgeschlossen werden kann, muß es (im Gegensatz zu der z.B. von FRÖSNER, 1988, vertretenen Ansicht) Ziel einer verantwortlichen Public Health Strategie sein, Heterosexuelle davon zu überzeugen, in den ersten drei Monaten einer Partnerschaft zur Prävention einer HIV-Infektion Kondome oder Spermizide zu verwenden
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